Antwort Winfried Aspirion - Bündnis 90 / Die Grünen

· Aktuelles

20.02.2021

Familienbund der Katholiken, Landesverband Baden-Württemberg

 

Ist unsere Demokratie gefährdet?

Dass die Landesregierung in einer Krisensituation wie dieser erst einmal handlungsfähig sein muss, um größere gefährdende Situationen abzuwenden, vor allem wenn es um Leib und Leben geht, ist richtig und wichtig. Den Regierenden muss zu Gute gehalten werden, dass wir erstmals solch eine Pandemie-Situation hatten. Allerdings müssen jetzt Nachbesserungen für die Zukunft angegangen werden.

Aber es muss immer einen Parlamentsvorbehalt geben: Nach zwei oder vier Wochen müssen die Maßnahmen dem Parlament vorgelegt werden, sodass darüber debattiert wird und die Maßnahmen unter Umständen korrigiert werden können oder die Regierung befugt wird, erneut für eine gewisse Zeit per Verordnung handeln zu können.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Bundestag und auch die Landtage sich wieder stärker als die Institutionen präsentieren müssen, in denen politische Entscheidungen öffentlich diskutiert, Vor- und Nachteile von Problemlösungen erläutert und kritisch beleuchtet werden. Dies ist die genuine Aufgabe des Parlaments. Auch müssen die Maßnahmen der Bevölkerung schneller, besser und nachvollziehbarer erklärt werden als dies bisher der Fall war.

Ansonsten: die Lage ist ernst, und der Angriff des Populismus auf bestehende demokratische Instanzen ist voll im Gange. Nicht nur in Osteuropa wird auf dem Rücken von Schwächeren Politik gemacht. Ich setze aber sehr viel Hoffnung auf die Erneuerung Europas von unten: Bürgerbewegungen, Verantwortliche auf Gemeinde- und Regionsebene, die Bürgerengagement möglich machen. Da tut sich sehr viel.

 

Mit welcher Strategie bewältigen wir die Schuldenlast?

Das letzte Mal, dass so hohe Schulden aufgenommen wurden, war zur Finanzkrise 2007/2008. Alle Schulden von damals sind in den letzten zehn Jahren zurückbezahlt worden: Die Schuldenquote lag vor der Finanzkrise bei etwas über 60 Prozent, stieg dann auf über 80 Prozent, um vor der Coronakrise auf sogar unter 60 Prozent zu fallen. Es ist schwer abzusehen, wie diese Krise weiter verläuft. Aber gerade sieht es nicht danach aus, dass die Schulden höher sind als damals. Vor allem eine Verpflichtung zur Rückführung der Corona-Schulden in einem fest bestimmten Zeitraum ist eine gute Sache.

Würde der Staat diese Schulden nicht aufnehmen, würde die Rezession deutlich schlimmer ausfallen. Das wiederum würde viel mehr Arbeitsplätze kosten und die Krise würde länger andauern. Eine langanhaltende Rezession würde langfristig mehr Kosten verursachen, als die Kosten, die man jetzt kurzfristig tätigt.

Die Furcht, dass "wir nie unsere Schulden zurückzahlen können", wird seit Jahren an Deutschlands Stammtischen genährt.  Dabei reicht es vollkommen aus, wenn der Staat einen Teil der Schulden zurückzahlt - und es muss noch nicht einmal der größere Teil sein. Jede Regierung wird, wenn sie vorausschauend plant, große Investitionen auf Kredit finanzieren und auf diese Weise einen Teil der Kosten auf künftige Steuerzahler verlagern, die ja den Nutzen haben werden. Sichere Staatsanleihen sind ein unverzichtbares Instrument des Finanzsystems.

Allerdings gibt es Möglichkeiten, zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Dazu zähle ich die Abschöpfung von Gewinnen ausländischer Megakonzerne, die sich hierzulande nicht an der Finanzierung der Infrastruktur beteiligen wollen.

Durch eine nationale Finanztransaktionssteuer könnte zum einen Geld für den Staat generiert werden und zum anderen überbordender Spekulation zumindest etwas entgegengetreten werden.

Dazu gehört auch, den europäischen Steueroasen-Wahnsinn sofort zu beenden. Länder, die über Dumping-Steuern versuchen, sich mehr von den Finanzen zu sichern, müssen von allen Subventionen ausgeschlossen werden. Das gilt im Übrigen auch für die deutschen DAX-Konzerne, die nach Berichten wohl alle Geldanlagen in überseeischen Steueroasen haben.

Dann müssen die legalen Steuerschlupflöcher überprüft werden. Warum Dienstwagen nur noch steuerlich anerkennen, wenn sie emissionsfrei sind und vom Kaufpreis einen Maximalbetrag als abzugsfähig deklarieren? Hohe Managergehälter sollten auch nur mit einem Maximalbetrag zu einer steuerlichen Entlastung führen.

 

 

Wie wollen Sie das Prinzip der Nachhaltigkeit als Entscheidungsträger*in umsetzen?

Die ökologische Nachhaltigkeit fordert dazu auf, die Umwelt einschließlich der natürlichen Ressourcen zu schonen. Unternehmen und Staaten sollten sich für einen bewussten Umgang mit Wasser, Energie und endlichen Rohstoffen einsetzen.

Die Nachhaltigkeit steht auch dafür, dass nur so viele nicht-nachwachsende Rohstoffe der Erde entnommen werden dürfen, wie durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt werden können. So kann man Schäden am Ökosystem vermeiden und stattdessen die Biodiversität fördern. Dies bedeutet auch, dass die Emissionen so gering sein müssen, dass sie keine Schäden anrichten.

In der öffentlichen Förderung müssen zunächst Firmen bedient werden, die sich diesen Kriterien verschreiben. Das muss auch nachhaltig überprüft werden.

Die soziale Nachhaltigkeit stellt den Menschen in den Mittelpunkt: Die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit darf keinem Menschen abgesprochen werden. Diese Grundannahme ist das absolute Minimum, das nicht unterschritten werden sollte.

Ausbeutung sowie Zwangs- und Kinderarbeit stehen daher im Widerspruch zu sozialer Nachhaltigkeit. Positiv formuliert fordert „Soziales“ faire Bezahlung, die Umsetzung von Arbeitnehmerinteressen sowie die Möglichkeit zur Aus- und Fortbildung und der freien beruflichen Entfaltung.

Dies berücksichtigt auch gesellschaftliche Interessen: So sollten nachhaltig agierende Staaten oder Unternehmen auch gemeinwohlorientiert handeln.

Das Lieferkettengesetz ist ein guter Anfang. Es muss möglich sein, unsere Standards für alle Menschen als Maßstab zu nehmen.

Die ökonomische Nachhaltigkeit fordert ein gutes Wirtschaften. Auch nachhaltige Unternehmen müssen genug Gewinne erzielen, um diese beispielsweise in moderne Maschinen, neue Mitarbeiter und Fortbildungen investieren zu können.

Die Profitmaximierung darf aber nicht das einzige Ziel sein. Stattdessen sollen Unternehmen langfristige Strategien verfolgen. Auch fairer Handel zählt dazu. Außerdem können nachhaltige Unternehmen neue Ziele verfolgen, wie etwa die Lebensqualität zu steigern oder Umweltschutz–Projekte zu fördern.

Auf Staaten bezogen bedeutet ökonomische Nachhaltigkeit auch, die Staatsschulden verantwortlich zu handhaben, denn sie belasten sonst zukünftige Generationen. Außerdem muss ein Staat das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wahren, um andere Staaten nicht zu benachteiligen. Denn eine exportstarke Nation kann andere Länder von den Exporten abhängig machen: Diese Länder können keine lokale (konkurrenzfähige) Wirtschaft aufbauen, was wiederum hohe Arbeitslosigkeit bedeuten kann.

Winfried Asprion


Bündnis 90 / Die Grünen
Kreisvorsitzender und Landtagskandidat
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